1.    Leitsatz des Bearbeiters

Die tarifliche Altersgrenze für Flugzeugführer ist wirksam. Die Altersgrenze verstößt weder gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), noch gegen die Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) und muss auch nicht wegen Verstoßes gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der die Diskriminierung wegen des Alters verbietet, außer Anwendung bleiben.

ArbG Frankfur/Maint, Urteil vom 14.03.2007 - 6 Ca 7405/06


2.    Der Fall  

Die Kläger (drei Piloten der Lufthansa) wenden sich mit ihrer Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen des 60. Lebensjahres. Sie sind der Ansicht, die der Altersgrenzenregelung stelle eine unzulässige Altersdiskriminierung dar und sei daher unwirksam.

Die Beklagte vertritt dagegen die Auffassung, die Altersgrenze sei nach wie vor gerechtfertigt, weil aufgrund medizinischer Erkenntnisse davon ausgegangen werden müsse, dass von Flugkapitänen in der gewerbsmäßigen Beförderung über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus zusätzliche Gefahren für den Flugverkehr ausgehen würden.


3.    Die Entscheidung

„Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat dem Arbeitgeber, der Beklagten, Recht gegeben. Die tarifliche Altersgrenze führe zwar zu einer unmittelbaren Benachteiligung der betroffenen Piloten wegen des Alters. Die Regelung knüpfe unmittelbar und ausschließlich an das Kriterium Alter an und benachteilige die Piloten insoweit als diese – anders als andere Arbeitnehmer – ab Vollendung ihres 60. Lebensjahres ihren Beruf nicht mehr ausüben können.
Art. 6 Abs. 1 Satz 1 RL 2000/78/EG lasse Ungleichbehandlungen wegen des Alters aber zu, sofern sie objektiv und angemessen seien und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. § 10 Satz 1, 2 AGG bestimme unter Übernahme dieses Wortlautes, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters aber zulässig sei, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertig sei und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich seien.

Zur Begründung führten die Richter aus, dass unter den genannten Voraussetzungen Ungleichbehandlungen wegen des Alters auch nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 22.11.2005 – C-144/04- [Mangold]) keinen Verstoß gegen den von ihm angenommenen  allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der Altersdiskriminierung verbietet, darstellt.

Die tarifliche Altersbefristungsregelung gehe zurück auf internationale Bestimmungen, die seit 1944 den Einsatz von Piloten über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus verboten habe. So bestimmte § 41 Abs. 1 Satz 2 der Betriebsordnung für Luftfahrtgeräte vom 04.03.1970 (LuftBO) in der bis zum 31.08.1998 geltenden Fassung, dass Mitglieder der Flugbesatzung mit einem Alter über 60 nicht eingesetzt werden sollten. Auch die International Aviation Organisation (ICAO) verbot bis April 2006 die Beschäftigung von Piloten über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus.

Die Altersgrenze beruhte in ihren Anfängen und in ihren Fortschreibungen zumindest neben anderen Motiven auch auf Sicherheitsbedenken. Sie geht zurück auf medizinische Erfahrungswerte, nach denen das Cockpitpersonal überdurchschnittlichen psychischen und physischen Belastungen ausgesetzt ist, in deren Folge das Risiko alterbedingter Ausfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktion zunimmt. Die Altersgrenze soll auf diesem Hintergrund die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit sichern und dient darüber hinaus dem Schutz von Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten.“

Für die entscheidende Kammer stand die Legitimität des im Allgemeininteresse liegenden Zieles, die ordnungsgemäße Erfüllung der Berufstätigkeit zu sichern und Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere und der Menschen in den überflogenen Gebieten zu schützen, außer Zweifel. Der Verhältnismäßigkeit der tariflichen Altersgrenze stehe auch nicht entgegen, dass andere Fluglinien ihre Piloten bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres einsetzen. Auch wenn diesen kein leichtfertiger Umgang mit Sicherheitsrisiken vorzuwerfen, sondern davon auszugehen ist, dass auch diese Fluglinien den ihnen obliegenden Verpflichtungen für den Schutz von Leben und Gesundheit ihrer Besatzungsmitglieder, ihrer Passagiere und der übrigen mit dem Flugbetrieb in Berührung kommenden Personen Sorge zu tragen, verantwortungsvoll gerecht werden, kann der Beklagte bzw. den insoweit zuständigen Tarifvertragsparteien grundsätzlich nicht verwehrt werden, weitergehende Einschränkungen vorzusehen, wenn sie dies für erforderlich halten dürfen und bei den Einschränkungen den Interessen der in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkten Piloten ausreichend berücksichtigen.


4.    Anmerkungen des Bearbeiters

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main zeigt, dass hinsichtlich der Anwendung des § 10 AGG, der die zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters normiert, erhebliche Unsicherheiten bestehen. Hinzu kommt, dass die Frage der „Zwangsrente“ kein typisches „Pilotenproblem“ ist, sondern generell zu hinterfragen ist.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits in seiner Entscheidung am 26.01.2007  die Altersgrenze von 65 Jahren bei Verkehrspiloten für verfassungsgemäß gehalten. Es liege, so das BVerfG, kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG vor, da hier die Sicherheit des Flugverkehrs und die Schutzbedürftigkeit der Allgemeinheit Vorrang habe. Eine Prüfung des AGG sowie des vorrangigen Gemeinschaftsrechts unterließ es allerdings.

Die Frage des Lebensalters ist kein Indiz für Leistungsfähigkeit, einen Bundeskanzler Konrad Adenauer hätte es beispielsweise bei einer Altersregelung 60 nicht gegeben.

Nun soll nicht verkannt werden, dass es sicherlich ein Unterschied ist, ein Land zu regieren oder aber ein Flugzeug zu fliegen. Die Gemeinsamkeit findet sich aber darin, dass man beides nur kann, wenn man fit und gesund ist.

Hierzu sind insbesondere Flugkapitäne harten Leistungschecks unterzogen, die sie entweder bestehen oder nicht bestehen. Wo ist aber dann die Gefährdung? Wenn solche Tests die Fragen der gesundheitlichen Eignung vernünftig klären, dann kann man einen 61-jährigen, soweit er den Test besteht, fliegen lassen.
Die Frage der Zwangspensionierung ist zudem kein deutsches Problem. Sowohl in Spanien, als auch in England gibt es Verfahren, die alle Zwangspensionierungsgrenzen überprüfen wollen. Die Engländer haben sogar ein Verfahren vor dem EuGH angestrebt, mit dem sie die Grenzen europaweit beenden würden. In Spanien gab es bereits am 27.12.1001 einen königlichen Gesetzeserlass (16/2001) zu Schaffung eines Systems des schrittweisen und flexiblen Übergangs in den Ruhestand. Es sollte damit erreicht werden, dass ältere Arbeitnehmer ihre berufliche Tätigkeit weiter ausüben und nicht vorzeitig in den Ruhestand gehen, indem ihnen eingeräumt wurde, den Beginn des Rentenalters frei festzulegen.
Hingegen in den USA beispielsweise gibt es kein Zwangspensionsalter mehr. Durch den „Age Discrimination Act“ im Jahre 1986 (Antidiskriminierungsgesetz) wurde die Zwangspensionierung abgeschafft, so dass Arbeitnehmer länger arbeiten können. Seit dem können Arbeitnehmer selbst entscheiden, wann sie in Rente gehen. Es gibt zwar dort auch immer noch ein Renteneintrittsalter, damit wird aber lediglich das Mindestalter für den staatlichen Rentenbezug markiert und nicht zwangsweise das Ausscheiden aus der Berufstätigkeit. Hierauf hatte sich auch ein ehemaliger Gefängnisarzt gestützt. Auch er wurde zwangspensioniert und bekam mit Urteil vom 21.07.2005 von einem Gericht in Los Angeles eine Schadenssumme in Höhe von 20 Millionen US-Dollar zugesprochen.
Darüber hinaus ist das Lebensalter zunehmend im Rahmen von Gerichtsurteilen von entscheidender Bedeutung. Der EuGH hatte bereits mit Urteil vom 22.11.2005  die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG für unwirksam erklärt. Zur Frage, ob § 14 Abs. 3 TzBfG gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstoße, sah der EuGH eine direkte Ungleichbehandlung auf Grund des Alters für gegeben an (Altersdiskriminierung). Er stellte fest, dass die Regelung des § 14 Abs. 3 TzBfG ältere Arbeitnehmer über 52 Jahre dauerhaft von unbefristeten Arbeitsverhältnissen ausschließe. Im sogenannten Cadman-Urteil entschied der EuGH, dass eine Vergütung nach Dienstjahren mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.  Daraus folgt auch der Schluss, dass eine Vergütung, die sich ausschließlich nach dem Alter richtet in jedem Fall eine Benachteiligung wegen des Alters bedeutet. Auch das LAG Düsseldorf hat in seiner Entscheidung vom 13.07.2005 dargestellt, dass das Lebensalter allein (hier als „Rentennähe“ bezeichnet) keine Kündigung rechtfertige.  In die gleiche Richtung geht ein neueres Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück.  Die Richter gingen hier davon aus, dass die Bildung von Altersgruppen altersdiskriminierend sei und künftig im Rahmen einer Sozialauswahl nicht mehr berücksichtigt werden dürfe.

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  EuGH, Urt. v. 22.11.2005 – C-144/04, DRSp Nr. 2006/15993.
  EuGH, Urt. v. 03.10.2006 – C-17/05, DRSp Nr. 2006/26496.
  LAG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2005 - 12 Sa 616/05, DRSp Nr. 2005/17963.
  ArbG Osnabrück, Urt. v. 05.02.2007 - 3 Ca 778/06, siehe dazu die nachfolgende Besprechung von ALENFELDER.





5.    Fazit

Ein pauschales Rentenalter bzw. die Anknüpfung an das Lebensalter allgemein ist aufgrund des AGG und des geltenden Gemeinschaftsrechts nicht mehr zeitgemäß. Wenn es objektive Kriterien wie beispielsweise Gesundheitschecks gibt, müssen diese Gegebenheiten die Frage der Eignung entscheiden, denn wenn Menschen gesund sind, sollten sie auch arbeiten dürfen.

In ZfAD (Zeitschrift für Antidiskriminierungsrecht) 1/07, S. 12-14